Über die Geschichte des Fonds
Die Deutsch-Tschechische Erklärung und die Entstehung des Zukunftsfonds
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds wurde am 29. Dezember 1997 gegründet. Was ging seiner Entstehung voraus?
Wir wollen nicht zu weit in die Vergangenheit zurückgehen, denn dass Deutsche und Tschechen eine lange Geschichte verbindet, die nicht immer harmonisch verlaufen ist, ist bekannt. Besonders das zwanzigste Jahrhundert hat viele Wunden hinterlassen, die das Verhältnis der beiden Völker sehr belastet haben.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs standen beide Länder vor der Frage, wie es weitergehen sollte.
Am 21. Januar 1997 unterschrieben die damaligen Außenminister die Deutsch-Tschechische Erklärung, die der weiteren Entwicklung eine Richtung geben sollte. Eines der wichtigen Instrumente zur Gestaltung dieser Nachbarschaft war auch die Einrichtung eines neuen Stiftungsfonds, der all diese Aktivitäten finanzieren sollte – unseres Fonds.
Der Zukunftsfonds wurde nach tschechischem Recht als Stiftungsfonds mit Sitz in Prag errichtet und begann seine Arbeit mit einem Stiftungsvermögen von knapp 85 Millionen Euro.
Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus
Die erste und wichtigste Aufgabe unserer neu entstandenen Organisation war es, denjenigen zu helfen, die von nationalsozialistischer Verfolgung betroffen waren. Deshalb verabschiedete der Verwaltungsrat des Fonds schon auf seiner Gründungssitzung ein Projekt der humanitären Hilfe für die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft, das s.g. Sozialprojekt.
Ausgearbeitet und vorgelegt wurde das Projekt unmittelbar von Vertretern überlebender NS-Opfer, die im Tschechischen Verband der Freiheitskämpfer (Český svaz bojovníků za svobodu) und in der Föderation der jüdischen Gemeinden (Federace židovských obcí) organisiert waren. Damit war garantiert, dass die Art und Weise der Entschädigung den tatsächlichen Bedürfnissen der Betroffenen entsprach.
Sinn der humanitären Hilfe war es, den noch lebenden Opfern der härtesten Repressionen – Häftlingen aus Konzentrationslagern, Zuchthäusern und anderen Haftstätten, ebenso wie Menschen, die sich unter unmenschlichen Bedingungen vor der Verfolgung verstecken mussten – direkte finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Die Zahlungen richteten sich an Bürger der Tschechischen Republik oder ehemalige Staatsangehörige der Tschechoslowakei aller Nationalitäten, auch wenn ihr Wohnsitz außerhalb der Tschechischen Republik lag, sofern sie bis dahin noch keine Entschädigung auf der Grundlage der deutschen Gesetzgebung erhalten hatten.
Zu diesem Zweck wurden in Übereinstimmung mit der Erklärung 90 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt, also der Großteil der Mittel, die der Fonds von beiden Regierungen erhalten hatte. Das Projekt war auf zehn Jahre angelegt. Das heißt, dass berechtigten Personen jährlich ein Betrag ausgezahlt wurde, den sie nach eigenem Bedarf und eigenen Wünschen zur Verbesserung ihrer sozialen und gesundheitlichen Situation verwenden konnten.
Die erste Zahlung im Rahmen des s.g. Sozialprojekts im Jahre 1998 nahmen mehr als 7000 Personen, die letzte Auszahlung im Jahre 2007 noch 3500 überlebende Opfer des Nationalsozialismus in Empfang.
Binnen zehn Jahren wurden insgesamt 45 Millionen Euro aus dem Stiftungsvermögen ausgezahlt. Diese Auszahlungen sind bereits beendet.
Die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
Zur selben Zeit, als in der Tschechischen Republik das Sozialprojekt des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds begann, wurden in den USA Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen vorbereitet, die im Zweiten Weltkrieg die Arbeitskraft von Häftlingen aus Konzentrationslagern ausgebeutet hatten.
Die drohende Gerichtsprozesse und eine gegen deutsche Firmen gerichtete umfangreiche mediale, politische und wirtschaftliche Kampagne in Übersee verbunden mit einer entgegenkommenderen Haltung der neuen deutschen Regierungskoalition eröffneten im Jahre 1998 die Möglichkeit, Häftlingen, die Sklavenarbeit leisten mussten, ebenso wie zivilen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen eine Entschädigung zukommen zu lassen. An den internationalen Verhandlungen in den Jahren 1999 und 2000 war auch die Tschechische Republik beteiligt.
Aus dem Gesamtbetrag von 10 Milliarden DM, die der deutsche Staat und die deutschen Firmen in die neu errichtete Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ einzahlten, waren 423 Millionen DM für Opfer aus der Tschechischen Republik vorgesehen. Diese Mittel sollten in erster Linie auf die Opfer von Zwangs- und Sklavenarbeit verteilt werden, unter gewissen Bedingungen konnten aber auch anderen Betroffenengruppen Zahlungen gewährt werden. Auf diese Weise erhielten in der Tschechischen Republik beispielsweise auch verfolgte Verwandten ermordeter Opfer rassistischen und politischen Terrors, verfolgte Roma oder Personen, die sich vor der Verfolgung verstecken mussten, Entschädigungszahlungen.
Die Auszahlung der Entschädigungszahlungen führte der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (und das von ihm eingerichtete Büro für die Opfer des Nationalsozialismus) durch. So erhielten zwischen 2001 und 2006 auf der Basis von 110 624 Anträgen 75 769 Antragsteller und Antragstellerinnen eine Auszahlung. Der Fonds bearbeitete außerdem 11 789 Anträge von Personen, die auf dem Territorium des heutigen Österreich inhaftiert oder zur Zwangsarbeit eingesetzt worden waren oder eine anderweitige Schädigung erfahren hatten, auf deren Basis an 10 964 Antragstellende Gelder ausgezahlt wurden.
Die Gesamtsumme der vom Zukunftsfonds im Rahmen des deutschen und des österreichischen Entschädigungsprogramms auf der Basis von 86 925 Anträgen getätigten Zahlungen beträgt 8 Milliarden Kronen.
Das Schicksal von Zwangsarbeitern und anderen Opfern des nationalsozialistischen Unrechts interessiert uns auch nach dem Abschluss der Entschädigungsprojekte weiter. Wir unterstützen Ausstellungen, Publikationen und Konferenzen und versuchen, das Vermächtnis der Opfer auf verschiedene Weise zu würdigen. Anlässlich unseres Konzerts zu Ehren der Opfer und Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung veröffentlichten wir das Buch „Als wäre das alles gestern geschehen“ (Jako by se to všechno stalo včera) mit einem Essay der Schriftstellerin Radka Denemarková und Porträtfotos von Karel Cudlín. Gemeinsam mit unseren tschechischen und deutschen Partnern haben wir auch eine erfolgreiche Ausstellung „Totálně nasazeni“ fertiggestellt, deren deutsche Version „Im Totaleinsatz“ noch heute im deutschsprachigen Raum als Wanderausstellung gezeigt wird.
Kontakt für Ihre Fragen: info@fb.cz.
Das Weiterbestehen des Zukunftsfonds
Zunächst war der Zeitraum für die Tätigkeit des Zukunftsfonds auf zehn Jahre festgesetzt worden. 2007 beschlossen jedoch die Regierungen beider Länder, auch weiterhin in eine gute Nachbarschaft zu investieren und stellten dafür aus ihren Staatshaushalten achtzehn Millionen Euro zur Verfügung.
Anlässlich des 20. Jahrestags der Deutsch-Tschechischen Erklärung im Januar 2017 verkündeten die Regierungschefs beider Länder die Verlängerung der Tätigkeit des Fonds um weitere zehn Jahre bis 2027.