Tschechen und Deutsche verwandeln gemeinsam verfallene Kulturdenkmäler in Orte der Begegnung
Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds ermöglicht 133 neue deutsch-tschechische Projekte
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds unterstützt 133 neue gemeinsame Projekte aus der Zivilgesellschaft beider Länder. Der Verwaltungsrat des Fonds gab dafür am Mittwoch Fördermittel in Höhe von insgesamt 1 261 455 Euro frei.
Die Sitzung fand diesmal im Rathaus von Nürnberg statt, wo die Verwaltungsratsmitglieder von Oberbürgermeister Marcus König begrüßt wurden. Martin Kastler, früherer Co-Vorsitzender des Verwaltungsrats, wurde vom Verwaltungsrat mit großem Dank für seine Arbeit nach zwölf Jahren aus dem Amt verabschiedet.
Der Verwaltungsrat verurteilte in seiner ersten Sitzung nach dem 7. Oktober den Terrorangriff der Hamas auf Israel. Er hat sich mit großen Sorgen mit dem wachsenden Antisemitismus in Europa beschäftigt und beschlossen, die Bekämpfung des Antisemitismus noch stärker in der künftigen Programmarbeit zu verankern.
Viele der neu bewilligten Projekte kamen aus dem Bereich der Denkmalpflege. Der Fonds stellte für die Restaurierung von 32 Kulturdenkmälern ca. 400 000 Euro bereit.
„Sich um verfallene Sakralbauten zu kümmern, die Teil unserer gemeinsamen Geschichte sind, ist nicht nur eine Aufgabe für Denkmalpfleger. Wenn es darum geht, Bauruinen neues Leben einzuhauchen und sie zu Orten der Begegnung und des friedlichen Miteinanders zu machen, sind wir alle gefragt. Solche Orte der Gemeinsamkeit, gegenseitigen Toleranz und Demut brauchen wir heute dringender denn je“, betonten Rita Hagl-Kehl und Jindřich Fryč, die beiden Co-Vorsitzenden des Verwaltungsrats.
Mehrere der bewilligten Projekte greifen auch das Jahresthema 2023 des Zukunftsfonds („Bloß nicht durchdrehen – gemeinsam sind wir stark“) auf sowie die neue Sonderausschreibung des Fonds zum bevorstehenden Kafka-Jahr 2024.
Auswahl aktuell bewilligter Projekte:
KULTUR, JUGEND, DIALOGE
Mit Kultur gegen Antisemitismus 2024
Die Internationale christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ), die christlich-jüdische Begegnungen ermöglicht und sich aktiv gegen Antisemitismus einsetzt, organisiert im Frühjahr ein mehrtägiges deutsch-tschechisches Schülertreffen in Prag. Die Jugendlichen nehmen gemeinsam an der öffentlichen Aktion „Mit Kultur gegen Antisemitismus“ teil, besuchen das ehemalige Ghetto Theresienstadt und beschäftigen sich mit der Rolle nichtjüdischer Helfer bei der Flucht aus Konzentrationslagern. Dadurch soll ein tieferes Verständnis für die Bedeutung persönlichen Engagements entwickelt und dessen Relevanz auch für die heutige Zeit erkannt werden.
Der Zukunftsfonds unterstützt die Begegnung mit einem Beitrag von 200 000 CZK.
Deutsch-tschechische Begegnung – Einander stärken für eine gemeinsame Zukunft
Das ‚Droste-Haus‘ aus Nordrhein-Westfalen und der Freizeitclub ‚Klubko‘ aus Staré Město bei Uherské Hradiště (Region Zlin), zwei außerschulische Bildungsakteure, möchten über knapp 1000 Kilometer Entfernung eine langfristige Partnerschaft aufbauen. Für eine geplante einwöchige Zukunftswerkstatt mit insgesamt 40 Jugendlichen aus Gütersloh und der Region Zlin haben sie sich vom Jahresthema 2023 des Fonds inspirieren lassen. Die jungen Menschen werden sich gemeinsam mit Krisensituationen, ökologischen, sozialen und anderen globalen Problemen beschäftigen, Lösungsstrategien entwickeln und diese anschließend in unterschiedlicher Form darstellen (Videos, Theater, Comics u.ä.). Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung sind Sprachanimationen, gemeinsames Freizeitprogramm sowie individuelle Begegnungen durch die Unterbringung in Gastfamilien geplant.
Der Zukunftsfonds unterstützt die Zukunftswerkstatt mit einem Beitrag von 144 160 CZK.
Fragmente der Erinnerung. Der Schatz des Prager Veitsdomes im Dialog mit Edmund de Waal, Josef Koudelka und Julian Rosefeldt
Nach der erfolgreichen „Tschechischen Saison“ in Dresden im Jahr 2022 planen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nun gemeinsam mit dem Metropolitankapitel des St. Veitsdoms die größte Präsentation des Prager Domschatzes – eines der größten Domschätze in Europa – im Ausland. Im Rahmen des Ausstellungsprojektes „Fragmente der Erinnerung“ sollen insgesamt 123 Exponate daraus gezeigt werden, das bedeutendste davon ist das große Reliquienkreuz Karls IV. Dieser historische Teil der Ausstellung wird mit Werken renommierter Gegenwartskünstler konfrontiert: mit Porzellanobjekten des britischen Künstlers Edmund de Waal, mit großflächigen Fotografien des weltberühmten Fotografen Josef Koudelka sowie mit Videofilmen des deutschen Konzeptkünstlers Julian Rosefeldt. Alle Werke verbindet das Thema Glauben und Erinnern.
Der Zukunftsfonds unterstützt die Ausstellung mit einem Beitrag von 40 000 Euro.
IMAGINARIUM
Die Grimmwelt Kassel, das weltweit größte Ausstellungshaus zum Lebenswerk der Brüder Grimm, das zugleich als Kultur-, Freizeit- und Bildungseinrichtung fungiert, stellt der deutschen Öffentlichkeit eines der bemerkenswertesten tschechischen Theaterensembles vor. Das Theater der Gebrüder Forman präsentiert sich in Kassel während eines dreimonatigen Gastauftritts mit seinem Ausstellungsprojekt Imaginarium und zahlreichen Begleitveranstaltungen. In der Grimmwelt werden die Formans eine großräumige Traum-, Sagen- und Märchenwelt aus Theaterkulissen aufbauen. Die Installationen sollen zum Spielen, Experimentieren und Forschen einladen.
Der Fonds bezuschusst den Gastauftritt mit einer Summe von 18 000 Euro.
Durch Mahler Verbunden
Die Bamberger Symphoniker führen unter der Leitung ihres Chefdirigenten Jakub Hrůša gemeinsam mit der Tschechischen Philharmonie Mahlers 7. Sinfonie beim Festival Dvořáks Prag („Dvořákova Praha“) auf. Die Aufführung findet unter freiem Himmel auf dem Prager Ausstellungsgelände statt, wo 1908 die Weltpremiere dieses Werks erfolgte. Beide Orchester wollen mit der gemeinsamen Einstudierung der Sinfonie auch an die kulturellen Gemeinsamkeiten beider Nationen erinnern: Die 7. Sinfonie wurde damals gemeinsam von der Tschechischen Philharmonie und dem Orchester des Deutschen Theaters Prag uraufgeführt. Dessen Mitglieder wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland vertrieben und gründeten dort ein neues Orchester, die heutigen Bamberger Symphoniker, die als eines der besten deutschen Symphonieorchester gelten.
Der Zukunftsfonds bezuschusst die gemeinsame Aufführung mit einer Summe von 300 000 CZK.
RENOVIERUNG VON BAUDENKMÄLERN
Restaurierung der Orgelempore in die Kirche zum Erzengel Michael in Blatno (Platten) – Rückkehr der wiedergefundenen Orgel
Die Gemeinde Blatno (Platten) im Erzgebirge und ihr deutscher Partner, der Förderverein zur Erhaltung und Pflege der Stadtkirche Zöblitz (Marienberg), treiben gemeinsam die Renovierung der Erzengel-Michael-Kirche in Blatno voran, die sich auf der Liste der Kulturdenkmäler der Tschechischen Republik findet. Obwohl die Rekonstruktionsarbeiten bei Weitem nicht abgeschlossen sind, hat sich die Kirche bereits zum Zentrum des Kultur- und Gemeindelebens etabliert. Hier finden die Quinauer Musikfesttage, die Nacht der Kirchen, Kunstsymposien sowie Ausstellungen statt. Darüber hinaus dient die Kirche als Ort für gemeinsame Veranstaltungen mit dem deutschen Partner aus Marienberg. Die nun geplante Renovierung der Empore soll die Installation der ursprünglichen Orgel ermöglichen, die in den 1980er Jahren aus der Kirche verschwand und durch den Dresdner Restaurator Kristian Wegscheider gerettet wurde.
Der Zukunftsfonds unterstützt die Renovierung mit 600 000 CZK.
Reparatur und Restaurierung der Synagoge in Čáslav
Der Stiftungsfonds Dr. Dagmar Lieblová setzt sich seit 2019 für die Renovierung der Čáslaver Synagoge ein, eines bedeutenden Kulturdenkmals und neben der Jerusalemer Synagoge in Prag der einzigen erhaltenen Synagoge des Architekten Stiassny auf tschechischem Gebiet. Bis zum Zweiten Weltkrieg fanden hier Gottesdienste statt, danach wurde sie als Lager verwendet. Nach Abschluss der Reparaturarbeiten soll sie der Öffentlichkeit als Kultur-, Gemeinschafts- und Bildungszentrum zugänglich gemacht werden und zur Prävention von Antisemitismus und Rassismus dienen. Bereits jetzt finden in der Synagoge gelegentlich Konzerte traditioneller jiddischer und Klezmer-Musik statt. Zudem beherbergt sie eine Ausstellung zur Geschichte der Juden in Čáslav und der Region Kutná Hora.
Der Zukunftsfonds bezuschusst die Restaurierung der Synagoge mit einer Summe von 530 000 CZK.
SONDERAUSSCHREIBUNG Kafka 24
Konnte Franz Kafka Aussig besuchen? Auf den Spuren von Franz Kafka in Nordböhmen
Inspiriert von der Sonderausschreibung Kafka 24 des Zukunftsfonds begibt sich das Gymnasium Jateční aus Ústí nad Labem (Aussig) mit seiner deutschen Partnerschule, der Integrierten Gesamtschule Franzsches Feld aus Braunschweig, gemeinsam auf die Spuren von Franz Kafka in Nordböhmen. Auf dem Programm des mehrtägigen Schüleraustauschs stehen der Besuch der Ausstellung „Unsere Deutschen“ in Ústí nad Labem, Exkursionen nach Theresienstadt und Litoměřice sowie die gemeinsame Gestaltung eines Comics über Franz Kafka. Bereits vor dem Treffen machen sich die Schüler im Unterricht mit Leben und Werk des Schriftstellers vertraut.
Der Zukunftsfonds unterstützt die Schülerbegegnung mit einem Beitrag von 49 140 CZK.
Franz Kafka und die bildende Kunst. Durch das Prag der drei Welten.
Die Westböhmische Galerie in Pilsen präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Münchner Adalbert Stifter Verein das zeichnerische Werk von Franz Kafka und bietet so einen neuen, nicht-literarischen Blick auf die Persönlichkeit des weltbekannten Schriftstellers. In der Ausstellung wird die Beziehung Kafkas zu seinem eigenen zeichnerischen Werk, zu seinen Malerfreunden und zu den bildenden Künsten im Allgemeinen dargestellt. Den Zeichnungen Kafkas werden zudem Werke von Vertretern der modernen mitteleuropäischen Kunst, der japanischen Kunst (Holzschnitt) und Beispiele der zeitgenössischen visuellen Kultur gegenübergestellt. Begleitend zur Ausstellung sind Führungen und Workshops in deutscher und tschechischer Sprache geplant. Zudem wird eine umfangreiche Monographie zum selben Thema erscheinen.
Der Zukunftsfonds unterstützt das Ausstellungsprojekt mit einer Summe von 300 000 CZK.