27. März 2025

Vom Nachhall des Krieges bis zur Stille in der Kirche. Neue deutsch-tschechische Projekte im Frühjahr 2025

(Prag) 222 deutsch-tschechische Projekte werden sich bald in konkrete Veranstaltungen verwandeln. Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds stellt dafür 1,4 Mio. Euro zur Verfügung. Am Mittwoch wurde der Betrag vom Verwaltungsrat des Fonds bewilligt.

„Dieses Jahr begehen wir den 80. Jahrestag seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dessen Memento umso stärker ist in einer Zeit, in der sich die Welt um ein Ende des kriegerischen Konflikts in der Ukraine bemüht. Dies spiegelt sich auch in etlichen Projekten wider, die die Erfahrung aus der Vergangenheit in der Gegenwart reflektieren – ein starkes und lebendiges Thema für deutsche und tschechische Kunstschaffende wie auch für Schüler und Studierende. Sie möchten sich gemeinsam damit auseinandersetzen, bei verschiedenen Aktivitäten, Schulaustauschen oder Studienaufenthalten. Es freut uns, dass wir sie mithilfe des Zukunftsfonds unterstützen können”, sind sich Rita Hagl-Kehl und Jindřich Fryč, die Ko-Vorsitzenden des Verwaltungsrates, einig.

Der Verwaltungsrat tagte diesmal auf parlamentarischem Boden, am Sitz des tschechischen Senats. Dorthin eingeladen hatte Pavel Fischer, Vorsitzender des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Sicherheit. In den historischen Räumen des Palais Waldstein diskutierte er mit den Verwaltungsratsmitgliedern und wünschte ihnen eine glückliche Hand bei der Auswahl der Projekte. Deren Zahl wächst kontinuierlich: Allein im letzten Jahr wurden 771 Projekte beurteilt. Laut Senator Fischer sind gute deutsch-tschechische Beziehungen in der aktuellen internationalen Lage von großer Bedeutung.

„Wir leben in gefährlichen Zeiten. Der Zusammenhalt der europäischen Länder wird auf eine harte Probe gestellt. Es war wichtig, freundschaftliche Beziehungen zwischen Nachbarländern zu entwickeln. Aber heute ist es noch wichtiger. Mit Deutschland ist es uns nicht nur gelungen, uns im Dialog über die Vergangenheit zu verständigen, sondern wir haben eine Brücke in die Zukunft errichtet und eine starke Partnerschaft aufgebaut. Der Fonds ist ein integraler Bestandteil dieser Partnerschaft. Und da er seit 27 Jahren konkrete Unterstützung und wirksame Hilfe für die Begegnung von Deutschen und Tschechen leistet, bin ich, das gebe ich zu, gespannt, welche Prioritäten der Fonds für die Zukunft gesetzt hat. Es ist wichtig für uns, dass seine Tätigkeit auf Vollgas weiterläuft.“ – Pavel Fischer, Senator, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Sicherheit im tschechischen Senat

Am Donnerstagvormittag traf sich der Verwaltungsrat des Zukunftsfonds dann mit Mitgliedern der Tschechisch-Deutschen Parlamentariergruppe des tschechischen Abgeordnetenhauses zu einer gemeinsamen Diskussion über die Tätigkeit des Fonds und dessen Projekte im Kontext der aktuellen politischen Entwicklung.

„Für die Entwicklung gesunder nachbarschaftlicher Beziehungen ist auch aktive Kommunikation wichtig. In den letzten Jahrzehnten haben wir den deutsch-tschechischen Beziehungen auf politischer Ebene große Sorgfalt und Aufmerksamkeit gewidmet. Das hat sich ausgezahlt, sie sind in einem hervorragenden Zustand! Wir müssen ihn erhalten und stärken. Nur so können wir die Beziehungen gegenüber Erschütterungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene resilient machen. Der Zukunftsfonds ist unsere Garantie dafür, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.“ Petr Fifka (ODS), tschechischer Parlamentsabgeordneter, Mitglied des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Vorsitzender der Tschechisch-Deutschen Parlamentariergruppe

Auswahl der im März 2025 bewilligten Projekte

Krieg, Freiheit, Kunst

Der Weg vom Krieg zu Frieden und Freiheit – die symbolische Linie von Ost nach West wurde von Bildhauerinnen und Bildhauern aus beiden Ländern im Gelände markiert. Sie verbindet die Städte Olomouc, Prag, Mariánské Lázně, Cheb und Wunsiedel. In den tschechischen Städten werden deutsche Kunstschaffende ihre Werke installieren, in Wunsiedel vier tschechische Bildhauerinnen und Bildhauer. Gemeinsam eröffnen sie einen grenzüberschreitenden künstlerischen Dialog zum Thema Krieg, Freiheit und Kunst – darüber, wie wichtig es ist, ebenjene Fehler nicht zu vergessen und zu wiederholen, die zu kriegerischen Konflikten führen, sei es der Zweite Weltkrieg vor 80 Jahren oder der derzeitige Krieg in der Ukraine. Das Projekt bezieht sich auf unser Thema des Jahres 2025: Wie sagt man heute ,never again‘?
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 230 000 CZK

Never again entscheiden wir und zwar jeden Tag

Die Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klassen der Grundschulen in Mělník und Pirna kennen sich noch nicht persönlich, aber sie haben bereits viele Gemeinsamkeiten. Sie lernen die Sprache des Nachbarlandes und besuchen es seit 2018 regelmäßig, als die beiden Schulen ihre erste Kooperation im Rahmen von „Auf geht’s!“ starteten. In diesem Jahr hat sie unser Thema des Jahres angesprochen: Wie sagt man heute „never again“? Sie antworteten mit ihrem Projekt „Never again” entscheiden wir und zwar jeden Tag. Die 20 tschechischen und 20 deutschen Schülerinnen und Schüler werden ihre Ergebnisse in gemischten Gruppen vergleichen oder ihre Gefühle in einem Graffiti-Workshop ausdrücken. Um die Unterkunft kümmern sich Gastfamilien.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 3 978 €

Tschechische Kulturhighlights bei der grenznahen Landesgartenschau Furth im Wald 2025

Die in unmittelbarer Nähe zur deutsch-tschechischen Grenze stattfindende Landesgartenschau Furth im Wald wird vom 22. Mai bis 5. Oktober 2025 die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Medien beider Länder auf sich ziehen. Der Zukunftsfonds ist Partner der Veranstaltung und ermöglicht ihre grenzüberschreitende Dimension. Während der Gartenschau wird sich das Ausstellungsgelände in einen Schauplatz kultureller Events verwandeln. Der tschechische Programmteil, der in Zusammenarbeit mit dem Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) und dem Depot Pilsen 2015 konzipiert wird, umfasst neben dem Theater der Gebrüder Forman und der Kafka Band u. a. eine Skulpturenausstellung der Künstler Čestmír Suška und Benedikt Tolar. Ziel ist es, das Nachbarland sichtbar zu machen, dem deutschen Publikum seine Kultur näherzubringen und den gegenseitigen Austausch wie auch die in der Grenzregion verwurzelten Beziehungen zu stärken.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 25 800 €

GLEICHHEIT – deutschsprachiger Programmteil des 28. Theaterfestivals DIVADELNÍ FLORA Olomouc

Ein ähnliches Ziel, jedoch in umgekehrter Richtung, hat das Theaterfestival Divadelní Flora Olomouc: Es stellt dem tschechischen Publikum Trends des deutschen Gegenwartstheaters vor. Der diesjährige 28. Jahrgang mit dem Motto GLEICHHEIT umfasst mindestens sieben Aufführungen progressiver Ensembles. Eröffnet wird er vom Schauspielhaus Bochum mit einer Inszenierung des renommierten Regisseurs Christoph Rüping, abgeschlossen vom Theaterhaus Jena, das mit einer Produktion aus dem Jahr 2024 erstmals in Tschechien zu Gast ist. Zusammen mit Theatern europäischen Formats – dem Maxim Gorki Theater Berlin als diesjährigem Projektpartner und dem Berliner Ensemble – bietet dieser Jahrgang damit wohl die repräsentativste Kostprobe in der Geschichte des Festivals. Der Zukunftsfonds ist zum achten Mal strategischer Partner. Das Festival punktet beim Publikum wie auch bei der Fachwelt und hat sich von einem regionalen zu einem internationalen Event entwickelt. Die prestigeträchtige Veranstaltung bereichert, inspiriert und stärkt die deutsch-tschechischen Beziehungen.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 760 000 CZK

TIK TAK BOOM

Im Rahmen des Projekts TIK TAK BOOM möchten junge Leute aus Deutschland und Tschechien gemeinsam eine zweisprachige Theaterinszenierung einstudieren. Dabei arbeiten sie mit dem Prager Theater Na zábradlí und dem Staatstheater Nürnberg zusammen. Beide Bühnen werden die Vorstellung im Juli aufführen und sie auch ins Programm der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 aufnehmen. Impuls dafür war eine Studie (Shell-Jugendstudie), die zu dem Schluss kam, dass unter europäischen Jugendlichen Pessimismus, Ohnmachtsgefühle und Nationalismus wachsen. Eine beunruhigende Tendenz 80 Jahre nach Kriegsende. Ziel des Projekts ist es, junge Menschen zu ermuntern, sich mehr in das öffentliche und kulturelle Leben einzubringen, die Vergangenheit zu reflektieren, die deutsch-tschechischen Beziehungen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu stärken – eines der Fundamente einer geeinten EU.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 6 436 €

František Skála

Auch für einen erfahrenen Kunsthistoriker war es nicht leicht, repräsentative Werke aus den letzten drei Schaffensjahrzehnten dieses Multigenre-Künstlers auszuwählen und daraus eine kompakte Ausstellung für ein deutsches und internationales Publikum zusammenzustellen. Der Bildhauer, Maler, Illustrator, Musiker und Performer František Skála hat zusammen mit den Kuratoren Jiří Fajt und Lennard Hoffmann eine umfangreiche Werkschau für die Räume der Dresdner Kunsthalle im Lipsiusbau vorbereitet. Es handelt sich um das bereits dritte Projekt des tschechischen Kunsthistorikers Jiří Fajt, der bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden internationale Projekte leitet. Die umfassende František-Skála-Ausstellung zeigt die interessantesten Positionen, neue Werke wie auch site-spezifische, speziell für Dresden geschaffene Installationen des Künstlers. Ergänzt wird sie durch ein reichhaltiges Programm, in dem sich weitere tschechische Kunstschaffende auf einer ähnlichen „Wellenlänge“ vorstellen. Die Ausstellung ist vom 10. Oktober 2025 bis 22. Februar 2026 für die Öffentlichkeit zugänglich.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 20 000 €

Textil in unseren Händen

Das Phänomen der „Fast Fashion“ produziert eine riesige Menge an Kleidungsstücken und gleichzeitig auch an Textilabfällen. Eine Lösung, wie sich mit diesen umgehen ließe, bietet das Projekt der Prager Firma Happy Materials und des Dresdner Vereins TextilHandWerk. Anhand konkreter Beispiele aus Deutschland und Tschechien zeigt es, wie man Geschichte und Gegenwart der Textilproduktion verbinden, sich ihre Auswirkungen bewusst machen, neue Materialien einführen und die Verbraucher bilden kann. Ergebnis wird eine Ausstellung mit dem Titel „Weißt du, was du trägst“ oder ein erstes Seminar sein, in dem sich die Teilnehmer deutsches Know-how aneignen und die Leinenverarbeitung von der Pflanze bis hin zu 1 m² Stoff selbst ausprobieren können. Ihre Erfahrungen werden sie dann an ein Laien- wie Fachpublikum weitergeben. Künftig möchten die beiden Projektpartner bei der Errichtung eines deutsch-tschechischen Zentrums für nachhaltige Textilien in der Grenzregion des Dreiländerecks zusammenarbeiten.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 330 000 CZK

STILLE IN DER KIRCHE / Mit etwas Scharfem in die Oberfläche dringen

Aufschriften, Zeichnungen und Symbole aus dem 18.–20. Jahrhundert, entdeckt in 11 Barockkirchen der Region Broumov. Von wem stammen sie und was ist ihre Botschaft für künftige Generationen? So die Fragestellung des Projekts „Stille in der Kirche, Mit etwas Scharfem in die Oberfläche dringen“. Unter die Oberfläche der Wände wird die Geschichtsforschung dringen und, ergänzt durch Zeugnisse von Zeitgenossen, nach und nach die Identität einstiger deutscher Pfarrangehöriger, ihre Lebensgeschichten und ihre in die Kirchenwände geritzten Notizen enthüllen. Aufgearbeitet wird das Thema von den Gegenwartskünstlern Štěpán Soukup (Epos 257) und Vladimír Brož (Vladimír 518), die ihre Aktionen im Internet, in sozialen Netzwerken wie auch in den Medien einer breiten Öffentlichkeit präsentieren werden. Das Projekt lenkt das Augenmerk auf eine Gruppe von Kirchen in und um Broumov, für die eine Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste angestrebt wird. Es kommuniziert mit modernen Mitteln wie Graffiti, Comic, Video, Sound- und Lichtdesign wie auch 3-D-Druck. Im Ergebnis entsteht eine Ausstellung in der Broumover Kindergalerie Lapidarium (19.06.2025), die das Vermächtnis der einstigen deutschen Pfarrangehörigen an heutige junge Menschen vermittelt. Projektpartner ist der Heimatkreis Braunau, der für die Werbung wie auch für eine eventuelle Umsetzung der Ausstellung auf deutscher Seite zuständig ist.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 135 000 CZK

Geförderte Projekte