Von utopischen Visionen bis zu Künstlicher Intelligenz
Der Zukunftsfonds unterstützt erneut eine große Bandbreite an Projekten.
(Prag) 116 deutsch-tschechische Projekte können starten. Der Zukunftsfonds stellt dafür insgesamt 673 Tausend Euro zur Verfügung. Dies haben die Mitglieder des Verwaltungsrates heutebei ihrer Sitzung in Kamenz in der sächsischen Oberlausitz beschlossen.
Projektpartner aus beiden Ländern können nun gemeinsam ihre Vorhaben entwickeln, Kulturevents veranstalten oder Austauschprojekte für Studierende organisieren. Eine große Zahl an Projekten wurde zu Sonderausschreibungen eingereicht, die sich z. B. auf den 100. Todestag Franz Kafkas oder auf die Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 beziehen.
„Die Partnerschaft zwischen Chemnitz und dem Zukunftsfonds wird der Zusammenarbeit von Deutschen und Tschechen während des gesamten nächsten Jahres eine neue Dimension verleihen. Noch bis Ende September besteht die Möglichkeit, Projekte einzureichen, die sich auf beiden Seiten der Grenze abspielen können. Dies ist eine einzigartige Gelegenheit, Teil der Kultur im deutsch-tschechischen Raum zu sein und dabei die Aufmerksamkeit ganz Europas auf sich zu ziehen“, so die Ko-Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Zukunftsfonds Rita Hagl-Kehl und Jindřich Fryč.
Auswahl der neu bewilligten Projekte im September 2024:
Chemnitz Utopia
Förderbereich: Kultur – mehrere Genres, Theater, Ausschreibung Chemnitz 2025
Das deutsch-tschechische Theaterprojekt entsteht mit gemeinsamer Unterstützung des Zukunftsfonds und der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz. Künstlerinnen und Künstler des Schauspielstudios Ústí nad Labem und einer Theatergruppe aus Chemnitz inszenieren gemeinsam ein Stück, das auf aktuelle Themen und deren Wahrnehmung in beiden Ländern reagieren soll. Das Spektrum ist dabei breitgefächert: von utopischen Vorstellungen bis hin zur Entwicklung der europäischen Demokratie, von Sozialismus bis Kapitalismus, von Philosophie über Kultur bis hin zu Kunst im öffentlichen Raum. Dies hat seine spezielle Genese: Chemnitz, das zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt hieß und immer noch von dem überlebensgroßen Kopf des utopischen Denkers dominiert wird, wird sich als europäische Kulturhauptstadt auch der eigenen Vergangenheit zuwenden und diese als Impuls zur Selbstreflexion nutzen.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 10 000 Euro
Blue Note International – Blues und Jazz im Kulturhauptstadtjahr
Förderbereich: Kultur – Musik, Jazz und Blues grenzübergreifend, Ausschreibung Chemnitz ´25
Dank unserer Partnerschaft mit der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 werden sich Jazzmusiker aus Sachsen und Tschechien zusammentun, um in der Grenzregion fünf gemeinsame Konzerte aufzuführen. Zudem bereiten sie Workshops und Vorträge für Musikclubs in beiden Ländern vor, bei denen Jazz und Blues in breitere Kontexte eingebettet und ihre Wirkungen in unterschiedlichen politischen und sozialen Umfeldern beleuchtet werden. Neben gemeinsamen Jam-Sessions sind auch Publikumsgespräche geplant. Krönender Abschluss des Zyklus ist ein Weihnachtskonzert im Kulturzentrum Střelnice in Kadaň (Kaaden).
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 9 820 Euro
Kafkas Spiele (München)
Sonderausschreibung Kafka ´24, Literatur, Ausstellung
Unsere Ausschreibung zum 100. Todestag Franz Kafkas ist auf große Resonanz gestoßen. Eines der umfangreichsten Vorhaben ist ein soeben bewilligtes Projekt des Prager Museums für tschechische Literatur, das aus seinen Sammlungen literarische und biografische Texte Kafkas wie auch Artefakte und Dokumente ausgewählt und aus diesen eine Ausstellung mit dem Titel „Franz Kafkas Spiele“ zusammengestellt hat. Innovativ ist vor allem die Herangehensweise, die sich dem Schriftsteller aus der Perspektive seiner Texte nähert und aufzeigt, wie er mit Gedanken, Form oder Pointe zu spielen vermochte. Dabei werden auch einige gängige Stereotype abgebaut. So werden z. B. Manuskripte Kafkas nicht nur in deutscher, sondern auch in tschechischer Sprache präsentiert, wodurch seine Identität in einen breiteren kulturellen Kontext eingebettet wird. Der Zuschuss des Zukunftsfonds ist für die Erstellung einer deutschen Ausstellungsversion und deren Überführung von Prag nach München gedacht, wo sie ab 7. November zu sehen sein wird. Vorbereitung, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland übernimmt der Adalbert Stifter Verein als Projektpartner.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 300 000 CZK
Kafka? – Kafka! Kafka-Laboratorium
Förderbereich: Jugend und Schule: Schulaustausch zur Ausschreibung Kafka ´24
Die Aktualität von Kafkas Werk hat auch Schülerinnen und Schüler des Prager Gymnasiums Na Zatlance und ihre Hamburger Altersgenossen inspiriert. Ihr gemeinsames Interesse ist das Theater, und so lag die Idee zu einem einwöchigen Workshop in Prag nahe. Zumal dieser von Philipp Schenker und Roman Horák, erfahrenen Schauspielern und Gründern des Deutsch-tschechischen Kabaretts, geleitet wird. Mit ihrer Hilfe werden die Jugendlichen in gemischten Gruppen klassische Kafka-Themen wie Entfremdung, Isolation, Angst, Identitätssuche oder die gegenseitige Durchdringung von deutscher, tschechischer und jüdischer Kultur bearbeiten. Abschließend werden sie sich ihre von Kafka inspirierten Werke gegenseitig vorstellen, sei es in Form von eigenen Texten, Bildcollagen, Videoaufnahmen, Theater- oder Musikperformances – Resultate, die genau in die Konzeption unserer Ausschreibung Kafka ´24 passen.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 190 000 CZK
Die Elevation, Magdalena Jetelová – Franz Kafka
Förderbereich: Kultur – bildende Kunst, Ausschreibung Kafka ´24
Die originellen Installationen Magdalena Jetelovás sollen ein historisches Baudenkmal in Prag beleben und das ideelle Vermächtnis Franz Kafkas in Erinnerung rufen.
Die Persönlichkeit und das Werk Magdalena Jetelovás stellen einen festen Bezugspunkt der deutsch-tschechischen Kunstszene dar. Nach ihrer Emigration fasste sie an der Kunstakademie Düsseldorf Fuß und ist bis heute in München tätig. Nun wird sie im Prager Wasserturm Neue Mühle (Nové mlýny), unweit der Stelle, wo die Straße der Revolution auf das Moldauufer trifft, in vier Stockwerken Raum- und Wahrnehmungsinstallationen – ihre Interpretation von Kafkas „Verwandlung“ – zeigen.
Beim Erklimmen der Stockwerke sollen die Besucher von Auszügen aus Kafkas Texten und Multimedia-Installationen begleitet werden, dank derer sie sich nach und nach aus den Deformationen der irdischen Welt lösen sollen. Das Projekt wird durch einen Workshop für deutsche Studierende in Prag ergänzt und auch eine Präsentation der Ausstellung in Berlin ist geplant.
Förderbetrag des Zukunftsfonds (für die Präsentation in Tschechien): 220 000 CZK
Von den vier Flüssen bis zum Meer / Austausch von Studierenden und Akademikern
Förderbereich: Dialogforen und fachlicher Austausch, zum Jahresthema ´24: Grenzen des Fortschritts?
Sechs Tage intensive Arbeit erwarten Studierende und Akademiker der Westböhmischen Universität Pilsen an der Universität Greifswald. Gemeinsam mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen werden sie sich mit der Nutzung innovativer Tools im Bereich Bildung befassen, sei es Künstliche Intelligenz, virtuelle Zusammenarbeit oder die Anwendung digitaler Apps. Sie werden die Effektivität dieser Tools z. B. für das Fremdsprachenlernen oder für das Erheben und Auswerten von Daten beurteilen und mit traditionellen Methoden vergleichen. Ziel ist, Erfahrungen mit der Anwendung moderner Technologien an deutschen und tschechischen Universitäten auszutauschen, sich gegenseitig um neues Know-how zu bereichern und künftigen Pädagoginnen und Pädagogen zu vermitteln, wie sie digitale Tools in den Unterricht integrieren können.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 151 822 CZK
Veröffentlichung eines Buches mit Übersetzungen historischer Materialien über Horní Maxov
Förderbereich: Publikationen – Chronik
Schon lange recherchieren die Einwohner von Horní Maxov (Ober Maxdorf) im Isergebirge in den Archiven von Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße) und Kaufbeuren nach historischen Materialien über ihre Gemeinde. Sie haben bereits eine auf Deutsch verfasste Chronik in tschechischer Übersetzung herausgegeben. Nun wurde ein Zuschuss für die Übersetzung handschriftlicher Aufzeichnungen der Gemeindevertretung aus den Jahren 1898–1939 beantragt, einer wertvollen Quelle aus einem wichtigen Zeitraum der deutsch-tschechischen Geschichte dieser Grenzregion. Der tschechische Text, ergänzt durch erhalten gebliebene Postkarten, Fotos und andere Dokumente, wird Grundlage eines Buches sein, das nächstes Jahr zum 355-jährigen Gründungsjubiläum von Horní Maxov erscheinen soll. Die heutigen Einwohner von Horní Maxov haben eine starke Motivation: Sie möchten wissen, was sich in der Vergangenheit in ihrem Ort zugetragen hat und in welchen Zusammenhängen die Geschehnisse stehen. Ihren eigenen Worten zufolge trägt das Ergründen der Geschichte zu einem glücklicheren Leben bei.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 180 000 CZK
Musik kennt keine Grenzen. Deutsch-tschechische Begegnungskonzerte Offen für alle
Förderbereich: Kultur – Musik
Die Regensburger Domspatzen, ein berühmter Chor mit einer tausendjährigen Geschichte, werden unter Begleitung des tschechischen Orchesters Musica Florea Kirchen in Prag, Klatovy und Pilsen zum Klingen bringen. Die Konzerte finden jeweils im Anschluss an Festgottesdienste statt und potenzieren somit das künstlerische wie auch geistliche Erlebnis, das – ähnlich wie die Musik – keine Grenzen kennt. Das gesellschaftliche Event wird im deutsch-tschechischen Milieu sicher die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums sowie von Politikern und Medien auf sich ziehen. Das Konzert in Prag bildet zudem den symbolischen Schlusspunkt der ersten Bestehensdekade der Vertretung des Freistaates Bayern in der Tschechischen Republik. Der renommierte Chor ist Teil des bayerischen immateriellen Kulturerbes. Die Konzerte sind für alle Zuschauer und Zuhörer kostenlos.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 18 000 Euro