Prager Zwischenkriegsarchitektur von deutschsprachigen Architekten
Projekt des Monats Mai 2023
Woran denken wir, wenn wir über deutsche Architektur und den Einfluss des deutschen Kulturkreises sprechen?
Diese Frage stellte sich Lenka Kerdová im Hinblick auf die zahlreichen Häuser, die deutschsprachige Architekten zwischen den beiden Weltkriegen in Prag entworfen haben. Sie stellte sie sich nicht als einen homogenen Block vor, sondern versuchte vielmehr, Unterschiede zwischen den Prager Werken deutschsprachiger Architekten zu finden, die sich aus deren unterschiedlichen Hintergründen, Ausbildungen und Ambitionen sowie den unterschiedlichen Ansprüchen ihrer Klientel ergaben. Wie unterschied sich die deutsche Architektur im Prag der Zwischenkriegszeit von den Bauten der tschechischen Majorität? Was ließ sie konservativer erscheinen als den tschechischen Funktionalismus? Welchen Platz nimmt sie im Kontext der Bauproduktion der deutschen und mitteleuropäischen Städte ein? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen ist Lenka Kerdová ein außerordentlich aufschlussreiches Buch gelungen, das als erstes seiner Art bisher unbekannte Fakten und Zusammenhänge aufdeckt.
Im Prag der Zwischenkriegszeit gab es ganze Stadtteile, die kulturell und sprachlich überwiegend deutsch waren, was sich auch in der Architektur widerspiegelte. Historisch gesehen wurde die jahrhundertelange traditionelle Präsenz der deutschsprachigen Bevölkerung in Prag (d. h. tschechische Deutsche, Juden, Österreicher, Deutsche) nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (zwischen 1945 und 1948) gewaltsam beendet. Die folgende Zeit war geprägt vom Vergessen und Verdrängen der gemeinsamen Vergangenheit. Im realen Bild Prags, das aus Häusern, Straßen und der städtischen Struktur besteht, gibt es jedoch immer noch einen bedeutenden Anteil deutscher Kultur. Ein Beispiel dafür ist der sich rasch verändernde Prager Stadtteil Bubny, dessen jüngste – weitgehend deutsche – Geschichte selbst vielen seiner heutigen Bewohner unbekannt ist.
Das Buch „Klein-Berlin in Groß-Prag. Prager Zwischenkriegsarchitektur von deutschsprachigen Architekten“ und die Arbeit daran ist für alle Beteiligten ein großes Ereignis, da es gelungen ist, einen wesentlichen und unbekannten Teil des Schicksals Prags als solches zu erfassen. Der Stadt einen Teil ihres Gedächtnisses zurückzugeben. Das ist faszinierend.
Das Buch wurde Ende 2022 veröffentlicht und seine Veröffentlichung wurde von öffentlichen Vorträgen und Diskussionen mit dem Autor, Prof. PhDr. Rostislav Švácha, CSc. PhDr. Richard Biegel, PhD. – FF UK / FF UK / Klub Za starou Prahu und weiteren öffentlichen Präsentationen, z.B. in der Prager Galerie VI PER, begleitet.
Prof. PhDr. Rostislav Švácha, CSc:
„Das Buch von Lenka Kerdová zeigt eine gewisse Bandbreite auf, in der das Thema der deutschsprachigen Architekten im Prag der Zwischenkriegszeit von Architekten, die sich ganz klar mit dem Deutschtum identifizierten, über den komplexen Fall der jüdisch-deutschen Architekten bis hin zu jenen reicht, die zweisprachig waren und sich an der Schnittstelle von deutschem und tschechischem Kulturkreis bewegten, mit einer gewissen Tendenz, Teil des Anderen und (sagen wir) des Stärkeren zu werden.“
Richard Biegel, PhD:
Die Arbeit des Autors ist das Ergebnis einer systematischen Forschung, die es ermöglicht hat, die Fragen im Zusammenhang mit der Arbeit deutschsprachiger Architekten in Prag wesentlich zu klären.
Das Buch stieß sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den Medien auf positive Resonanz: https://www.ceskatelevize.cz/porady/1097206490-udalosti-v-kulture/223411000120402/
Ein Podcast zum Buch „When there was a „Little Berlin“ in Prague“ (Forum-Radio-Podcast, Karlsuniversität) vom 3. Mai 2023 kann hier gehört werden: https://soundcloud.com/univerzitakarlova/forum-radio-back-when-there-was-a-little-berlin-in-prague#t=0:00
Das Buch ist unter www.arborvitae.cz und im allgemeinen Buchhandel erhältlich.
Für Texte und Fotos sind die Projektträger verantwortlich.