12. Dezember 2024

Warnoćicy. Sorbische Spuren in Varnsdorf

Gymnasiastinnen Gymnasiasten aus Varnsdorf und Bautzen haben gemeinsam mit dem Sorbischen Institut das Leben der Sorben in der tschechisch-sächsischen Grenzregion nach Kriegsende erforscht. Unser Projekt des Monats November.

Das Bischöfliche Gymnasium in der Varnsdorfer Střelecká ulice (Schützenstraße) war in den Jahren 1947–1949 ein sorbisches Gymnasium. Hier konnten junge Menschen dieser westslawischen Minderheit zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine weiterführende Schule in ihrer Muttersprache besuchen, was für ihre nationale Identität und gesellschaftliche Emanzipation von außerordentlicher Bedeutung war. Varnsdorf, sorbisch Warnoćicy, war damals das regionale Zentrum der Sorbinnen und Sorben, die sich nach der Vertreibung der einstigen deutschen Bevölkerung im Schluckenauer Zipfel (Šluknovský výběžek) ansiedelten.

In den vergangenen zwei Jahren haben sich Schülerinnen und Schüler aus einem Varnsdorfer und einem Bautzener Gymnasium regelmäßig getroffen und nach und nach die Geschichten sorbischer Zuwanderer aufgearbeitet, die nach dem Krieg zu Erwerbs- und Bildungszwecken in die Grenzregion kamen. Das Projekt stand unter fachlicher Obhut des Sorbischen Instituts Bautzen (das in der Oberlausitz, einem der Siedlungsgebiete der Sorben in Sachsen und Brandenburg, liegt). Unter seiner Leitung setzten sich die Jugendlichen mit den historischen Ereignissen der Jahre 1945–1950 auseinander, trafen Zeitzeugen wie auch Nachfahren sorbischer Familien in Deutschland und Tschechien, nahmen deren Erinnerungen auf und suchten in der Grenzregion nach ihren Spuren.

Fotos: Vanessa Sauer, Madlen Domaschke

Ergebnis ihrer Recherchen ist ein kulturhistorischer Lehrpfad in drei Sprachen: Deutsch, Tschechisch und Obersorbisch. Zehn Tafeln mit QR-Codes vermitteln detaillierte Informationen über die einzelnen mit dem Leben der Sorben verbundenen Orte, die durch audiovisuelle Zeitzeugeninterviews ergänzt werden.  

Die sorbische Ansiedlung in Varnsdorf und im Schluckenauer Zipfels ist ein Beispiel für die historische Verflochtenheit dieser Grenzregion. Nach 1945 begegneten Sorben dort ursprünglichen deutschen Einwohnern vor deren Zwangsaussiedlung wie auch Tschechen und Slowaken, die aus dem Landesinneren zuzogen. An der Präsentation dieser regionalgeschichtlichen Umbruchszeit haben sich zudem die Stadt Varnsdorf, das dortige Museum und die dortige Bibliothek beteiligt.

Eingereicht und geleitet wurde das Projekt vom Sorbischen Institut in Bautzen in Kooperation mit der Stadtbibliothek Varnsdorf. Sein Ziel ist es, der breiten Öffentlichkeit Geschichte, Kultur, Traditionen und Alltagsleben der Sorben in den ersten fünf Nachkriegsjahren vorzustellen, die sie selbst als Blütezeit ihrer nationalen Minderheit bezeichnen. Der Lehrpfad kann seit Mitte November von Besuchern und Touristen aus beiden Ländern besichtigt werden.

Geförderte Projekte